Corinna Harder & Oliver Harder Mittwoch, 19. November 2025 von Corinna Harder & Oliver Harder

Folge 10

Journal & Spiegel: Dein Archiv der Zukunft

Seit dem Beginn der 12 Rauhnächte begleitest du dein Journal vielleicht schon als stillen Gefährten. Was anfangs wie eine schlichte Übung wirkt, kann sich zu einem privaten Orakel und zu einem kostbaren Archiv deiner inneren Bewegung entwickeln. Hier verdichten sich Träume, Zufälle, kleine Begegnungen, Gedankenblitze – ein Gewebe aus Hinweisen, das du später wie ein zartes Muster lesen kannst.

Die Tradition sieht im Orakeln während der Rauhnächte keinen bloßen Zeitvertreib. Schon in alten Bauernkalendern galten diese Nächte als »offene Zeit«, in der die Grenze zwischen Sichtbarem und Unsichtbarem durchlässiger wird. Träume, Geräusche, Tiere, Wetterphänomene wurden gedeutet, um Botschaften für das kommende Jahr zu empfangen. Ob du diese Bilder nun als Botschaften von Ahnen, von der Natur oder als Sprache des Unbewussten verstehst, spielt keine Rolle – entscheidend ist, dass du dich auf den Dialog mit dem Leben einlässt.

Das Aufschreiben hat mehrere Ebenen der Wirkung:

Bewahren des Flüchtigen
Träume und plötzliche Gedanken lösen sich schnell auf, wenn sie nicht festgehalten werden.
Dein Journal fängt sie ein, bevor der Alltag sie verwischt. Jede Notiz ist wie ein fotografierter Stern in einer klaren Winternacht.

Spiegel der Seele
Während du schreibst, ordnest du unbewusst Gefühle und Gedanken.
Das Journal hält nicht nur Botschaften von außen, sondern auch die leisen Regungen deines Inneren fest.
Es macht sichtbar, was sonst im Dunkeln bleibt – Wünsche, Ängste, Sehnsüchte, die in den Nächten an die Oberfläche steigen.

Saat für die Zukunft
Psychologisch betrachtet aktiviert das bewusste Niederschreiben das Gedächtnis und lenkt die Aufmerksamkeit.
Selbst wenn du die Einträge nicht deutest, beginnt dein Wahrnehmungssystem nach den Mustern zu suchen, die du aufgezeichnet hast.

Wenn sich Monate später ein Bild aus dem Journal im Alltag wiederholt, spürst du, dass sich hier ein Faden zieht – nicht als starre Prophezeiung, sondern als Einladung, genauer hinzusehen.

Wenn du am Ende der 12 Rauhnächte deine Aufzeichnungen durchgehst, nimm dir Zeit. Lies langsam, vielleicht bei Kerzenlicht. Markiere Symbole, Worte oder Begegnungen, die sich wiederholen oder besonders leuchten. Achte auf Stimmungen: Wo spürst du Freude, wo ruft etwas nach Mut, wo kündigt sich eine neue Richtung an? Manche Hinweise werden dich unmittelbar berühren, andere bleiben rätselhaft – beides hat seinen Wert. Das Orakel spricht nicht in eindeutigen Befehlen, sondern in Bildern, die du im Laufe des Jahres immer wieder neu verstehen kannst.

Auch nach dem Ende der Rauhnächte behält das Journal seine Kraft. Ein monatlicher Rückblick, ein kurzer Eintrag an besonderen Tagen oder ein Jahresabschlussgespräch mit deinem früheren Selbst halten den Faden lebendig. So verwandelt sich ein saisonales Ritual in eine dauerhafte Praxis der Selbst- und Welterkenntnis.

Du führst ein Gespräch mit dir selbst – und mit dem geheimnisvollen Geflecht des Lebens, das Antworten gibt, wenn du bereit bist zuzuhören. Halte also weiter fest, was dir begegnet: Träume, Zeichen, Begegnungen, scheinbar belanglose Details. Denn die Magie der Rauhnächte entfaltet sich nicht in spektakulären Vorhersagen, sondern in den leisen Spuren, die erst auf dem Papier beginnen zu sprechen – manchmal erst Wochen oder Monate später, wenn du erkennst, dass das Orakel längst mit dir gesprochen hat.

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