Corinna Harder & Oliver Harder Mittwoch, 8. Oktober 2025 von Corinna Harder & Oliver Harder

Folge 4

Die Wintersonnenwende – ein Tor zum Neubeginn

Die Wintersonnenwende markiert die längste Nacht und den kürzesten Tag des Jahres. Danach kehrt das Licht zurück – von diesem Moment an werden die Tage allmählich länger. In den kommenden Jahren fällt sie stets auf den 21. Dezember, nur 2027 auf den 22. Dezember. Dieses astronomische Ereignis verdanken wir der Neigung der Erdachse: Während der Nordhalbkugel ihre größte Entfernung zur Sonne erreicht, kippt die Südhalbkugel ihrerseits in den Hochsommer.

Schon unsere Vorfahren feierten diesen Wendepunkt. Ihre Feste kreisten um die Erfahrung, dass Dunkelheit und Licht einem ewigen Kreislauf folgen. Im alten Europa war es das Julfest, im römischen Reich Saturnalia, in Persien Yalda. Auch in anderen Kulturen finden sich ähnliche Lichtfeste – ob Diwali in Indien oder Dongzhi in China. Überall steht derselbe Archetyp im Zentrum: das Wiedererstarken des Lichts, die Rückkehr der Lebenskraft nach der tiefsten Nacht. Diese universelle Symbolik erinnert daran, dass jeder Abschluss den Keim eines Neubeginns in sich trägt.

Dein persönlicher Schwellenmoment

Nutze die Wintersonnenwende als bewusste Schwelle zwischen Alt und Neu. Du brauchst kein aufwendiges Ritual. Schon ein ruhiger Abend kann genügen: Zünde die Kerze an, die dich durch die zwölf Rauhnächte begleiten wird. Richte den Blick in die Flamme, atme tief und erlaube dir einen Moment der Stille. Vielleicht schreibst du ein paar Zeilen in dein Journal – nicht als Pflicht, sondern als Einladung zur Selbstbegegnung.

Wenn du magst, kannst du dich von diesen Fragen leiten lassen:

Wofür bin ich in diesem Jahr besonders dankbar?
Welche Gewohnheit, Beziehung oder Haltung darf ich hinter mir lassen?
Wofür will ich im neuen Jahr Raum schaffen?

Du kannst diesen Moment auch durch Sinneseindrücke vertiefen: ein leiser Klang, ein vertrauter Duft von Räucherwerk oder ätherischen Ölen, vielleicht Musik, die dich erdet. Es geht nicht um Effekte, sondern darum, den Körper sanft einzubinden und den Übergang spürbar zu machen.

Psychologische Kraft des Neuanfangs

Dieser kleine Akt hat eine klare Funktion. Anthropologen nennen solche Schwellenmomente »Liminalität« – Phasen, in denen das Gewohnte aufgehoben ist und Neues noch nicht feststeht. Genau hier öffnen sich Räume für Einsichten, leise innere Korrekturen und mutige Entscheidungen. Die Verhaltensforschung spricht vom Fresh-Start-Effekt: markante Zeitpunkte wie Wintersonnenwende, Jahreswechsel oder Geburtstage erleichtern es, Gewohnheiten zu verändern und neue Routinen zu verankern. Studien zeigen, dass schon ein einziger bewusst gesetzter Übergang das Durchhaltevermögen bei neuen Vorhaben deutlich erhöht.

Wichtig ist: Nicht die Nacht selbst bewirkt die Veränderung – du bist es, die diesem Moment Bedeutung verleiht. Indem du den Übergang bewusst gestaltest, verstärkst du den natürlichen Neustart und machst dir den Wechsel von Dunkel zu Licht auch innerlich zunutze.

Die Rauhnächte als Fortsetzung

Wenn du an diesem Abend deine Kerze entzündest, erinnere dich: Es geht nicht um große Gesten, sondern um das wiederkehrende Tun. Die Kraft der Rauhnächte liegt im stillen Entschluss und in der Beharrlichkeit, die du in den kommenden Tagen üben wirst. Viele Traditionen beschreiben diese zwölf Nächte als »Zeit außerhalb der Zeit«, in der Träume, Intuition und innere Bilder besondere Bedeutung gewinnen. Mit der Wintersonnenwende setzt du das erste, leise und zugleich wirksame Zeichen für diesen Weg.

In der nächsten Folge erfährst du, wie die erste Rauhnacht abläuft und wie du den ersten Wunsch dem Feuer übergibst – der Moment, in dem dein inneres Fundament in Handlung übergeht.

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